Anlässlich des Internationalen Tags der sauberen Luft sprachen wir mit Ron Kappeler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Swiss TPH, über die Luftdokumentationsstelle LUDOK und den Einfluss von Luftverschmutzung auf Gesundheit.
Hallo Ron, danke, dass du heute hier bist! Kannst du kurz etwas über dich erzählen?
Ich habe Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich studiert und ebenfalls dort meinen Master in öffentlicher Gesundheit, Epidemiologie und Umwelttoxikologie gemacht. Seit fünf Jahren arbeite ich am Swiss TPH im Bereich Luftverschmutzung und Gesundheit. Dabei interessiere ich mich besonders für die Gesundheitsfolgen der kurz- und langfristigen Luftschadstoffbelastung.
Wieso ist es wichtig, Luftverschmutzung zu erforschen?
Luftverschmutzung betrifft uns alle. Wir alle müssen atmen und können der Belastung nicht entgehen. Dies ist mit ein Grund, weshalb Luftverschmutzung bis heute weltweit das wichtigste Umweltrisiko für die öffentliche Gesundheit ist. Nach Angaben der aktuellsten Global Burden of Disease-Studie ist die Luftverschmutzung global für knapp7 Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Darüber hinaus wird das Risiko von Atemwegs- und Herz-/Kreislaufkrankheiten in Abhängigkeit der Schadstoffbelastung nachweislich erhöht.
In Ländern mit hohem Einkommen wie der Schweiz, hat sich die Luftqualität dank politischer Massnahmen in den vergangenen 30 Jahren erheblich verbessert. Damit hat auch die Gesundheitslast abgenommen. Doch die aktuelle Forschung zeigt, dass auch bei relativ tiefen Schadstoffbelastungen, wie wir sie hier in der Schweiz erleben, noch Gesundheitseffekte auftreten. Ausserdem betreffen die Effekte nicht nur die Atemwege, sondern praktisch alle Organe. So geraten weitere Gesundheitsgrössen wie Stoffwechselkrankheiten, Nierenleiden oder die kognitive Entwicklung bei Kindern vermehrt in den Fokus der Forschung.
Erzähl uns von deiner Arbeit im Bereich Luftverschmutzung und Gesundheit.
Hauptsächlich arbeite ich an der Luftdokumentationsstelle, kurz LUDOK. Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) sammeln und katalogisieren wir seit 1985 die weltweit publizierte epidemiologische Literatur zum Thema Luft und Gesundheit. In unserer Datenbank befinden sich mittlerweile über 11'000 Einträge von hauptsächlich peer-reviewten Studien. Mit dieser Datenbank ist es uns möglich, die Gesundheitsfolgen der Luftbelastung nach aktuellem wissenschaftlichen Konsens zu bewerten und der Politik Handlungsbedarf aufzuzeigen oder Anfragen von Ämtern aber auch aus der Bevölkerung zum Thema zu beantworten.
Wie können wir die Auswirkungen von Luftverschmutzung auf unsere Gesundheit minimieren?
Als Individuum können wir die Luftqualität nicht direkt beeinflussen. Allerdings können wir unser Verhalten der momentanen Luftbelastung anpassen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die im Sommer oft erhöhten Ozonwerte, welche bei viel Sonnenschein im Verlauf des Tages weiter steigen und über Nacht wieder sinken. An solchen Tagen ist es sinnvoll, seine körperlichen Aktivitäten im Freien nach Möglichkeit auf die Morgenstunden zu legen. Auch das Lüften sollte man auf den Morgen oder die Nacht beschränken.
Ebenfalls eine Möglichkeit seine individuelle Belastung zu verringern ist es, den Fuss- oder Veloweg während der Rushhour mit viel Verkehr und entsprechend erhöhten Schadstoffbelastungen auf eine Route abseits der Hauptstrassen zu legen. Informationen zur aktuellen Luftbelastung in der Schweiz erhält man beispielsweise über die airCHeck-App. Ist man beruflich oder privat in Städten mit sehr hohen Feinstaubbelastungen unterwegs, kann es insbesondere als empfindliche Person (beispielsweise mit Atemwegserkrankungen wie Asthma) sinnvoll sein, eine Feinstaubmaske (FFP2) zu tragen.
Der «International Day of Clean Air for blue skies» unterstreicht den Bedarf nach sauberer Luft. Wie können wir zu einer besseren Luftqualität beitragen?
Die Luftqualität ist wie der Klimawandel ein internationales, strukturelles Problem. In erster Linie bedeutet dies, dass wir nationale und internationale Massnahmen brauchen, um die Luftqualität zu verbessern. Die schweizerische Luftreinhalteverordnung von 1985 illustriert gut, wie die Luftqualität durch Druck auf die Politik in Massnahmen münden kann, welche die Schadstoffkonzentrationen in den letzten 30 Jahren deutlich haben zurückgehen lassen. Das heisst im Umkehrschluss, dass wir in der Schweiz die Politik mit unserem Wahlverhalten entsprechend beeinflussen können. Zusätzlich können wir mit unserem Lebensstil die Luftqualität beeinflussen:
- ÖV oder Velo anstelle von Auto nutzen
- Beim Autokauf oder der Nutzung auf emissionsarme Fahrzeuge setzen
- Alte Heizsysteme ersetzen
- Erneuerbare Energie nutzen
- Energieeffiziente Geräte nutzen
- Nutzung von Cheminée- und Holzöfen vermeiden
Wie geht es weiter?
Wie bereits erwähnt, möchten wir bei LUDOK unter anderem aufzeigen, ob aus wissenschaftlicher Sicht neue Luftschadstoffgrenzwerte einzuführen, oder bestehende angepasst werden müssen. In einer anderen Impact Story hat meine Kollegin Meltem Kutlar Joss die Einführung neuer WHO-Luftgüteleitlinien vorgestellt. Basierend auf den neuesten Erkenntnissen wurden diese seit 2005 bestehenden Empfehlungen nun überarbeitet und dabei teilweise nach unten korrigiert. Das ausserparlamentarischen Expertengremium im Bereich der Lufthygiene, die sogenannte Eidgenössischen Kommission für Lufthygiene (EKL) wird Handlungsempfehlungen zuhanden des Bundesrates formulieren, ob die Schweiz ihre Grenzwerte nun ebenfalls anpassen soll oder nicht und sich dabei auch auf die Expertise von LUDOK abstützen. Daneben sammeln wir weiter die aktuelle Literatur und setzen entsprechend immer wieder thematische Schwerpunkte, wie neue gesundheitliche Zielgrössen oder auch neue nicht regulierte Schadstoffe wie beispielsweise ultrafeine Partikel.