Druck

Ein kritischer Moment für die globale Gesundheit

Seit Jahrzehnten ist die globale Gesundheit eine Erfolgsgeschichte. Investitionen in Forschung, Innovation und internationale Zusammenarbeit haben zu besseren Medikamenten, leistungsfähigeren Gesundheitssystemen und einem gerechteren Zugang zur Gesundheitsversorgung geführt. Doch jetzt steht dieser Fortschritt auf dem Spiel.

Der Rückzug der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Finanzierungsstopp für USAID haben weltweit Schockwellen ausgelöst. Diese sind auf allen Ebenen zu spüren; von den nationalen Gesundheitssystemen bis hin zu den am stärksten benachteiligten Patientinnen und Patienten. Gleichzeitig schrumpfen die internationalen Entwicklungsbudgets, auch in der Schweiz. Die Frage ist nicht mehr, ob diese Entscheidungen Konsequenzen haben werden – sondern wie gravierend sie ausfallen.

Beim Swiss TPH spüren wir die Auswirkungen bereits jetzt. Die Einstellung der Finanzierung durch USAID hat einen direkten Verlust von Mitteln für wichtige Projekte und Partnerorganisationen zur Folge und trifft einige der am stärksten marginalisierten Bevölkerungsgruppen der Welt:

  • Malariaforschung und -bekämpfung in Tansania: Unser langjähriges Partnerinstitut, das Ifakara Health Institute (IHI), verliert einen Zuschuss von USAID-Geldern in Höhe von 17.9 Millionen US-Dollar, was die Fortschritte auf dem Weg zur Eliminierung der Malaria gefährdet.
  • HIV-Behandlung in Tansania: Im Kilombero-Tal könnten 4’500 HIV-Patientinnen und -Patienten bald den Zugang zu lebensrettender antiretroviraler Therapie verlieren, was das Risiko von Arzneimittelresistenzen und erneuten Infektionsausbrüchen erhöht.
  • Unterstützung des Gesundheitssystems in der Ukraine: Vom Swiss TPH geleitete Projekte haben aufgrund der USAID-Kürzungen keine Mittel mehr, um lokale Fachkräfte zu bezahlen. Wir übernehmen die Löhne für drei Monate, aber das ist keine dauerhafte Lösung.

Diese Herausforderungen sind nicht abstrakt – sie sind die Realität einer globalen Gesundheitskrise, wenn die Finanzierung versiegt. Weltweit werden wichtige Gesundheitsprogramme gekürzt oder eingestellt. Millionen Menschen, die auf HIV-Behandlungen, Malariaprävention oder die Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten angewiesen sind, bleiben auf der Strecke.

Black female doctor taking a small African schoolgirl's temperature with a digital thermometer during a home visit
Foto: Riccardo Niels Mayer

Die Auswirkungen von Mittelkürzungen: Ein schrumpfendes Budget für die globale Gesundheit

Seit der Jahrtausendwende wurden in der globalen Gesundheit erhebliche Fortschritte erzielt. Doch nun wendet sich das Blatt. Die neuesten Daten des «Institute for Health Metrics and Evaluation» (IHME) zeigen, dass die Mittel für die globale Gesundheit nach einem historischen Höchststand während der Coronapandemie nun rückläufig sind.

Dies geschieht in einer Zeit, in der die Welt mit zunehmenden Gesundheitsbedrohungen konfrontiert ist: Krankheitsausbrüche, die durch den Klimawandel begünstigt werden, zunehmende Arzneimittelresistenzen und geschwächte Gesundheitssysteme, die sich noch von der Pandemie erholen oder in Krisen- und Kriegsgebieten operieren. Statt Investitionen zu erhöhen, ziehen sich Regierungen und Geldgeber zurück.

Mehrere Trends verdeutlichen das Ausmass dieses Rückgangs:

  • Die USA waren historisch gesehen der grösste Geldgeber für globale Gesundheit und trugen rund 25 % zur Gesamtfinanzierung bei. Ihr Austritt aus der WHO und das Einstellen der USAID-Mittel hinterlassen eine massive Finanzierungslücke, die kein einzelner Akteur schliessen kann.
  • Grosse Finanzierungsinstitutionen fahren zurück: Auch bei der Weltbank, der «President’s Malaria Initiative» (PMI) und dem «US President’s Emergency Plan for AIDS Relief» (PEPFAR) wurden die Mittel drastisch gekürzt, so dass sie nicht mehr in der Lage sind, die in den letzten Jahren erzielten Erfolge zu sichern und wirksam auf neue Gesundheitsbedrohungen zu reagieren.
  • Bilaterale Regierungsbeiträge sind rückläufig: Während einige private Spenden stabil geblieben sind, schrumpfen viele nationale Budgets für globale Gesundheit – darunter auch in Ländern wie Grossbritannien, Deutschland und Japan.

Die Folgen sind bereits spürbar. HIV-Behandlungsprogramme sind gefährdet. Die Bekämpfung von Malaria und Tuberkulose (TB) gerät ins Stocken. Vernachlässigte Tropenkrankheiten, die ohnehin kaum Finanzierungen erhalten, drohen auf der globalen Gesundheitsagenda weiter nach unten zu rutschen. Die von USAID unterstützten gross angelegten Behandlungskampagnen gegen Krankheiten wie Bilharziose und lymphatische Filariose, die Millionen von Menschen eine wichtige Behandlung ermöglichten, stehen vor dem Aus.

Sollte die globale Gesundheitsfinanzierung weiter schrumpfen, drohen Jahrzehnte an Fortschritt verloren zu gehen – mit verheerenden Folgen für Millionen von Menschen.

Die Rolle der Schweiz: Ein entscheidender Moment

Auch die Schweiz fährt ihr Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit und der globalen Gesundheit zurück. Die Bund hat einschneidende Kürzungen angekündigt – 110 Millionen Franken für 2025 und weitere 321 Millionen Franken bis 2028 –  und zieht sich unter anderem aus UNAIDS zurück, einer Schlüsselorganisation im Kampf gegen HIV/AIDS. Diese Kürzungen gefährden nicht nur lebensrettende Programme, sondern schränken auch die Fähigkeit der Schweiz ein, die globale Gesundheitspolitik mitzugestalten und auf neue Herausforderungen zu reagieren.

Die Kosten des Nicht-Handelns – gemessen in Menschenleben, wirtschaftlicher Stabilität und globaler Sicherheit – werden voraussichtlich weit höher sein als die Investitionen in nachhaltige Gesundheitsprogramme. Die Schweiz kann die USAID-Mittel nicht ersetzen, aber sie hat die Möglichkeit, eine Führungsrolle in zentralen Bereichen wie Krankheitsprävention, Stärkung von Gesundheitssystemen und innovativen Finanzierungsmodellen für nachhaltige Gesundheitsinterventionen zu übernehmen.

 

Foto: RTI International

Ein Aufruf zum Handeln: Was die Schweiz tun kann

Die Schweiz ist seit langem eine Vorreiterin in der globalen Gesundheit. Jetzt ist es an der Zeit, dieses Engagement zu bekräftigen. Mögliche Schritte

  • Gezielte Finanzierung erhöhen – Programme zur Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria, TB und vernachlässigten Tropenkrankheiten müssen höchste Priorität bleiben. Ohne nachhaltige Investitionen besteht die Gefahr, dass Millionen von Menschen den Zugang zu grundlegender Behandlung verlieren und dass die Bemühungen zur Eliminierung dieser Krankheiten zum Stillstand kommen, was eine Zunahme von Infektionen, menschlichem Leid und vorzeitigen Todesfällen zur Folge haben wird.
  • Partnerschaften stärken – Während sich die USA zurückziehen, sollte die Schweiz ihre Zusammenarbeit mit der EU und anderen globalen Akteuren im Gesundheitsbereich verstärken, um kritische Lücken zu schliessen und die Position der Schweiz in der Gesundheitsdiplomatie zu wahren.
  • Innovative Finanzierungsmodelle fördern – Die Schweiz kann eine Schlüsselrolle einnehmen bei der Ausweitung innovativer Finanzierungsmechanismen wie öffentlich-private Partnerschaften für langfristige Investitionen in die Gesundheit, ohne sich zu stark auf traditionelle Finanzierungsstrukturen stützen zu müssen.
  • Nachhaltige Gesundheitssysteme stärken – Anstelle einer fragmentierten und kurzfristigen Zusammenarbeit sollte die Schweiz Investitionen Priorität einräumen, welche die lokale Gesundheitsinfrastruktur, die Krankheitsüberwachung und die Epidemieprävention stärken und die Länder in die Lage versetzen, auf künftige Gesundheitskrisen zu reagieren.
Foto: Joachim Pelikan

Swiss TPH: Ein verlässlicher Partner für die globale Gesundheit

Das Swiss TPH spielt seit über 80 Jahren eine zentrale Rolle in der globalen Gesundheit. Mit mehr als 400 Projekten in 127 Ländern und drei WHO-Kooperationszentren arbeiten wir mit internationalen Organisationen, Regierungen, NGOs und lokalen Partnern zusammen, um Gesundheitssysteme zu stärken, armutsbedingte Krankheiten und chronische Krankheiten zu bekämpfen und die nächste Generation von Fachkräften im Bereich Public Health auszubilden.

Doch mit dem wachsenden Druck auf die Finanzierung steht unsere gemeinschaftliche Fähigkeit, Forschung in die Praxis umzusetzen und lebenswichtige Gesundheitsdienste aufrechtzuerhalten, auf dem Spiel. Diese Krise betrifft aber nicht nur Institutionen wie das Swiss TPH – sie hat direkte Auswirkungen auf Millionen von Menschen, die den Zugang zu Behandlungen verlieren, auf Gesundheitspersonal an vorderster Front, das ohne Unterstützung bleibt, und auf Programme zur Krankheitsbekämpfung, die eingestellt werden. Ohne nachhaltige Investitionen werden Regierungen Schwierigkeiten haben, grundlegende Gesundheitsversorgung bereitzustellen, Eliminationsprogramme werden scheitern, und die Welt wird schlechter auf künftige Gesundheitskrisen vorbereitet sein.

In einer Zeit, in der eine globale Führungsrolle im Gesundheitsbereich am dringendsten benötigt wird, hat die Schweiz die Möglichkeit, ihr Engagement zu bekräftigen. Das Swiss TPH ist bereit, seinen Teil dazu beizutragen.