Tuberkulose-Forschung gegen «superresistente Bakterien»

05.09.2017

Die Gefahr, dass Menschen an Tuberkulose erkranken, bleibt gross. Ein Forschungsteam am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) um den Zellbiologen Sébastien Gagneux untersucht Antibiotikaresistenzen gegen Mycobacterium tuberculosis. Das Projekt ist Teil der interdisziplinären Forschungsinitiative SystemsX.ch. Ein neuer Dokumentarfilm dieser Swiss Initiative in Systems Biology gibt Einblick in die Arbeit im Sicherheitslabor des Swiss TPH.

Resistenz gegen Antibiotika bedeutet eine Gefahr für die Gesundheit der Menschen und macht auch vor unseren Breitengraden nicht Halt. Dies zeigt der Fall eines jungen Mannes in Basel, der 2010 nach einem Aufenthalt in Tibet an einer aggressiven Form der Tuberkulose (TB) erkrankte. Die Bakterien, mit denen der Patient infiziert war, entwickelten Resistenz gegen alle verfügbaren Antibiotika. Erst nach fünf Jahren invasiver Therapie und der Entfernung eines Teils seiner Lunge war die bakterielle Infektion behoben und der Mann geheilt.

Der Zellbiologe Sébastien Gagneux, Leiter des Departements Medical Parasitology and Infection Biology am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH), das mit der Universität Basel assoziiert ist: «Die beunruhigende Geschichte dieses Patienten zeigt: Obwohl es heute möglich ist, die grosse Mehrheit der Tuberkulosepatienten mit Standardmedikamenten zu behandeln, können diese superresistenten Bakterien sehr schnell aufkommen, auch während der Behandlung eines einzelnen Patienten. Das ist die grosse Gefahr.»

Anschaulicher Dokumentarfilm

Gagneux und sein Team führen ein Forschungsprojekt zu Resistenzentwicklungen gegen Antibiotika bei mikrobakterieller TB durch. Das Projekt wird im Rahmen der Swiss Initiative in Systems Biology, SystemsX.ch, realisiert. Die grösste interdisziplinäre Forschungsinitiative des Bundes hat das übergeordnete Ziel, die molekularen Mechanismen des menschlichen Körpers zu verstehen, um die Entwicklung neuer Therapien bei schwerwiegenden Krankheiten und Altersgebrechen zu fördern.

Die TB-Forschung am Swiss TPH mit Bezug auf den genannten Fall wird dargestellt im Kapitel «Krieg der Superbakterien» im Dokumentarfilm «System Mensch: Das letzte Geheimnis». Die Premiere des Films, der vorerst in Deutsch und Englisch vorliegt und sich an ein breites, interessiertes Publikum richtet, hat am 4. September an der 3rd International SystemsX.ch Conference of Systems Biology in Zürich stattgefunden.

Swiss TPH und Tuberkulose

In den Sicherheitslabors des Swiss TPH unterziehen Gagneux und sein Team individuelle Stämme des TB-Erregers aus der ganzen Welt mit der Behandlung verschiedener Antibiotika. Sie verfolgen die Entwicklung von Bakterien und Resistenzen. «Unser Ziel ist es, jene Stämme zu identifizieren, die das grösste Potenzial haben, multiple Resistenzen zu entwickeln», so Gagneux. «Mit diesem Wissen können die Forschenden ihre Strategien für die Behandlung verfeinern.»

Das Swiss TPH engagiert sich gemeinsam mit seinen langjährigen Partnerorganisationen, dem Ifakara Health Institute in Tansania und dem National Centre for Tuberculosis and Lung Diseases in Tbilisi, Georgien, um das Leiden in Verbindung mit TB zu lindern. Das Swiss TPH arbeitet in fünf Kontinenten zu TB bei Mensch und Tier, von der Grundlagenforschung bis zur Implementierung von Gesundheitssystemen.

Tuberkulose und Antibiotikarestenz

Gemäss der Weltgesundheitsorganisation sterben täglich 5'000 Menschen an TB. 480'000 Menschen entwickelten im Jahr 2015 eine multiresistente Tuberkulose (MDR-TB), weitere 100'000 Menschen mit Rifampicin-resistenter TB machen eine Zweitlinienbehandlung erforderlich. TB macht nicht Halt vor der westlichen Welt. Jedes Jahr werden in der Schweiz rund 500 neue TB-Fälle entdeckt. Weltweit gibt es über 10 Millionen Fälle, wovon 1,8 Millionen tödlich enden. Zusätzlich wird angenommen, dass schätzungsweise weitere 2 Milliarden Menschen oder nahezu ein Viertel der Weltbevölkerung TB-Bakterien im Körper tragen.